Oft werde ich gefragt: „Wie komme ich mit einem mir fremden Menschen ins Gespräch?“, „Wie kann ich meinem Gegenüber in einem seelsorglichen Gespräch helfen?“, „Was mache ich, wenn ich keine Antwort auf die Frage meiner Gesprächspartnerin habe und nicht weiterhelfen kann?“ Meine Antwort darauf ist dann: „Seien Sie da und hören Sie zu.“
Was aufrichtiges Zuhören bewirken kann, das beschreibt Michael Ende in seinem bekannten Buch „Momo“. Ich möchte gerne eine Passage mit euch teilen, die mich sehr angerührt hat und von der wir alle etwas lernen können.
Wirklich zuhören können nur wenige Menschen.
Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Momo konnte so gut zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen.
Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten.
So konnte sie zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten, oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging und erzählte alles das Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören.
(Aus: Ende, Michael: Momo. Thienemanns Verlag, 1973.)
Eure Sophie Steffen