Bericht von der Kirche Kunterbunt-Konferenz in Nürnberg – von Julia Wulff
„Und ich flieg, flieg, flieg“, tönt es aus der Menge – mittendrin auch viele Pfälzerinnen und Pfälzer, die mitgrölen, die Arme ausgestreckt. Doch wir sind weder auf dem Betzenberg noch auf dem Wurstmarkt, sondern in der LUX-Kirche in Nürnberg. Knapp 500 Menschen aus ganz Deutschland sind bei der ersten bundesweiten Kirche Kunterbunt-Konferenz dabei. Zwei Tage lang geht es in der Jungen Kirche Nürnberg um Inspiration, Workshops, Austausch und kreative Ideen rund um Kirche Kunterbunt. Diese recht neue Form von Kirche hat vor allem Familien im Blick, die bisher wenig oder noch keine Beziehung zur Kirche haben. Die Idee zu Kirche Kunterbunt kommt ursprünglich aus England und gehört dort zu den „fresh expression of church“. Bekannt geworden unter dem Namen „Messy Church“ hat sich die Idee schnell verbreitet: Mittlerweile gibt es weltweit über 5000 Initiativen. Auch in Deutschland sprießen immer mehr Kirche Kunterbunt-Projekte wie junge Pflänzchen aus dem Boden. Bei der Konferenz in Nürnberg geht es vor allem darum, wie diese Initiativen wachsen können, welche Phasen sie durchleben – ähnlich den verschiedenen Jahreszeiten – und wie Kirche Kunterbunt immer wieder aufblüht und auflebt.

Wie zarte Pflänzchen wachsen
„Das haben wir schon immer so gemacht!“ Ja, neue Ideen haben es manchmal schwer – vor allem in der Kirche, wo die Dinge eine lange Tradition haben. Die meisten Initiativen, auch in der Pfalz, brauchen viel Kraft und Durchhaltevermögen, bis ihr zartes Kirche Kunterbunt-Pflänzchen wachsen kann. Viele fragen sich dabei: Wie motivieren wir uns, damit wir dranbleiben? Ein Erfolgsrezept von Kirche Kunterbunt ist wahrscheinlich, dass sie mit dem Geist Gottes rechnet. Den braucht es, wenn etwas wachsen soll. Und diese Kraft wollen auch die Menschen in Nürnberg erleben. Bei der Aktivzeit gibt es an 19 Stationen viel Gelegenheit dazu – beim Bäume pflanzen, beim Klo-Postkarten gestalten, beim Laubbläser-Parcours… Die Menschen, die hier miteinander aktiv werden, erleben Kirche als frisch, wild und wundervoll.
“Ihr seid das Gesicht von Kirche” – Bitte weiterwachsen!
„Denkt nicht: Ich bastle da nur ein bisschen. Nein, das, was ihr gerade tut, ist die Kirche der Zukunft!“, fasst Sandra Bils von der Arbeitsstelle midi zusammen, was Kirche Kunterbunt für sie bedeutet: „Ihr seid für viele das Gesicht der Kirche – ihr seid Kirche!“ Auch für Tobias Aldinger vom Erzbistum Freiburg hat Kirche Kunterbunt eine besondere Rolle als „Glaube-Liebe-Hoffnungs-Kraftwerk“. Der Theologe und Pastoralreferent will wissen, woran wir eine „erwachsene Kirche“ erkennen – und was überhaupt „erwachsen“ bedeute. Für seine Kinder sei die Antwort klar: „Erwachsen ist, wer groß ist, Chips isst und einen Schnurbart hat.“

Die Bibel habe darauf in Bezug auf die Kirche eine spannende Antwort: Beim Erwachsensein gehe es (immer noch) ums Wachsen, ums Mündig sein und darum, dass sich die kindliche Abhängigkeit in eine Beziehung verwandele. „Ich erkenne, dass ich dich brauche, und du erkennst, dass du mich brauchst – ohne Abhängigkeit.“ Diese Erkenntnis zeichne eine erwachsene Kirche aus, in der sich alte und neue Formen ergänzen. Vor allem Kirche Kunterbunt biete die Chance, Familien in ihrer gesamten Lebenswirklichkeit zu erreichen und ein nachhaltiges, echtes Beziehungsnetzwerk zu bauen, so Aldinger. Dazu sei es nötig, dass sich Kirche immer wieder fragt, was Familien wirklich brauchen – und wo wir sie antreffen. Doch auch eine erwachsene Kirche „darf ganz Kind sein, denn wir wachsen auf Christus hin!“ Also: weiterwachsen!
Was Familien brauchen: lockere Fest-Atmosphäre und Limonadenbäume
Außerdem sollten kirchliche Angebote auf „Familien-Fest-Tauglichkeit“ geprüft werden, sagt Katharina Freudenberg vom Institut CES (Christliches Empowerment in der Säkularität) der Universität Halle. Sie forscht zu Kirche Kunterbunt und stellt auf der Konferenz ihre Ergebnisse vor: Für Familien sei es aktuell wichtiger denn je, dass Formate eine lockere Atmosphäre bieten – möglichst ohne Eintrittsbarrieren; auch finanzielle Aspekte spielten dabei eine Rolle. Darüber hinaus wollten Familien als Ganzes angesprochen werden, sie wollten Freiheit und Wahlmöglichkeit im eng getakteten Familienalltag wahrnehmen und sich von kirchlichen Angeboten überraschen lassen, ohne dass der missionarische Charakter im Vordergrund steht. Kirche Kunterbunt stelle nach Freudenberg eine überzeugende, attraktive Antwort auf die Bedürfnisse von Familien dar. Die lockere Fest-Atmosphäre von Kirche Kunterbunt hole Familien bestmöglich ab. So kann Kirche Kunterbunt wie eine fünfte Jahreszeit sein, die „Limonadenbaum-Jahreszeit“. Die wird natürlich auch auf der Konferenz gefeiert – ganz im Sinne von Pippi Langstrumpf.

Am Ende gibt es neben dem Erfahrungsaustausch, dem „Ideen-Konfetti“, auch noch den Konfetti-Segen. Die Kirche Kunterbunt-Konferenz machte Mut, sich aktiv und kreativ in die Gestaltung der Zukunft der Kirche einzubringen und diese zu leben – auch in der Pfalz.