Ich habe das große Glück, dass mein Arbeitsplatz gerade mal einen Kilometer von daheim entfernt ist. Normalerweise fahre ich mit dem Fahrrad ins Büro, manchmal laufe ich aber auch gerne. Besonders, wenn es regnet. Dann wähle ich morgens fast immer den Weg über den Friedhof.
Ich mag die Ruhe und den Frieden, die dort herrschen. Ich lausche dem Gesang der Vögel, freue mich am Grün der Bäume und Sträucher, ich lasse meinen Blick über die Gräber am Wegesrand gleiten. Oft bleibe ich an einem Namen hängen, der auf einem der Grabsteine steht. Was das wohl für ein Mensch war, der hier nun seine letzte Ruhestätte gefunden hat?
Die Schritte über den Friedhof machen mir jedes Mal bewusst, dass auch ich irgendwann einmal in einem Grab liegen werde. Ich bin ein Mensch, vergänglich, endlich.
Das löst aber zum Glück keine depressiven Gefühle in mir wach, ganz im Gegenteil. Ich werde dankbar, dass ich leben darf. Ich atme bewusst aus und ein, spüre das Leben. Welch ein Geschenk!
Hier auf dem Friedhof kann ich annehmen, dass ich „nur“ ein Mensch bin. Und ich nehme mir für den neuen Tag vor: Heute möchte ich Mensch sein. Nicht mehr und nicht weniger.
Euer Thomas Borchers