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Guggemol: Zeitreise in einer Dreizimmer-Wohnung

Heute ist Tag des Museums. Doch dieses Museum, in dem ich kürzlich war, ist anders: Es ist voller Erinnerungen, voller Leben und Geschichten. Die Museumswohnung lädt zu einer Zeitreise ein – eine Reise durch sieben Jahrzehnte.

Drei Zimmer, Küche, Bad: Diese 60 Quadratmeter in einem Mehrfamilienhaus in Hildesheim erzählen von einem ganzen Leben. 70 Jahre hat hier ein Mann gewohnt und gelebt und gesammelt. Blechspielzeug aus den 50er Jahren, Bücher, Schallplatten, Steifftiere, Souvenirs von Reisen und jede Menge Alltagsdinge aus sieben Jahrzehnten hat er fein säuberlich aufbewahrt und konserviert. Als er 2022 gestorben ist, und es keine direkten Nachkommen gab, war es Aufgabe der Vermieterin, sich um die Wohnung und das Inventar zu kümmern. Doch statt die Wohnung leerzuräumen, hat sie ein Museum daraus gemacht – besser gesagt: eine Museumswohnung.

Alles original: die Museumswohnung. Foto: Mendling

Hier sind die Tapeten original aus den 50er, 60ern und 70er Jahren. In der Küche steht ein Herd, der mit Holz befeuert wird. Das Wasser für die Badewanne wird in einem Ofenkessel erhitzt. Und der rote Koffer-Plattenspieler im Wohnzimmer spielt Musik von Boney M. Vieles hier in der Wohnung erkenne ich wieder – meine Großeltern hatten die gleiche Waage, den gleichen Fußboden, das gleiche Radio, die gleiche Bambus-Tapete… Sogar der Geruch erinnert mich an die Wohnung meiner Großeltern. Für mich ist es wie eine persönliche Zeitreise in meine Kindheit.

Die Vermieterin der Wohnung heißt Maren Weniger. Die Theologin und Pädagogin hat viel Zeit und Energie in die Museumswohnung investiert. An vielen Dingen hat sie kleine Schilder und Zettel befestigt, die etwas über den Menschen erzählen, der hier zuhause war. In allen Dingen stecken Geschichten. Und alles hier kann ausprobiert werden. Wer möchte, kann sich eine Ariola-Schallplatte auflegen oder einen Kaffee auf dem Bollerofen kochen. Manchmal backt Maren Weniger für die Besucherinnen und Besucher einen Streuselkuchen in dem alten Gasherd -nach Originalrezept. Und im Schlafzimmer erzählt eine Soldatentruhe etwas von der Familiengeschichte des Bewohners: Sein Vater war Fallschirmjäger und ist im Zweiten Weltkrieg gefallen.

Nach einer guten Stunde in der Museumswohnung habe ich das Gefühl, den Mann, der hier gewohnt hat, zu kennen. Im Schrank habe ich seine Super-8-Bänder gefunden von seinen Urlaubsreisen – samt Filmprojektor. Ich weiß, dass er Lehrer war, und dass er in dieser Wohnung lange Zeit zusammen mit seiner Mutter und seiner älteren Schwester gewohnt hat. Ich weiß, dass er einen Sinn von Nostalgie hatte, und dass für ihn viele Dinge einen besonderen Wert hatten.

Ich finde es großartig, dass es Menschen wie Maren Weniger gibt, die solche Orte schaffen und ein Gespür haben für die Geschichten, die etwas über das Leben erzählen. Die Museumswohnung ist kein normales Museum, sie ist ein Stück Leben. Genau das fasziniert mich: die Wertschätzung, die hier in jedem Raum, in jeder Ecke spürbar wird. „Für mich ist es die Sammlung eines Lebens“, sagt Maren Weniger. „Es stecken noch viel mehr Geschichten hier drin.“

Also: Wenn ihr zufällig mal in Hildesheim seid, besucht unbedingt die Museumswohnung in der Nordstadt und lernt Maren Weniger kennen! Viel Spaß bei eurer persönlichen Zeitreise…

Stefan Mendling

Infos zur Museumswohnung, Kontakt und Öffnungszeiten:
https://hausverwaltungsievers.de/museumswohnung/

Fotos: Mendling